Peter Riffenach schrieb:“Aktionstag Mehrsprachigkeit“:
Arkadensaal in einen „Marktplatz der Möglichkeiten“ verwandelt / Bedeutung von Sprache(n) herausgestellt
Förderung von Intelligenz und Identität
Wertheim. Sie hatte schon etwas von einem „Marktplatz“, die Szenerie am Freitagnachmittag im Arkadensaal der Wertheimer Hofhaltung. Man stand in kleineren und größeren Gruppen zusammen, es wurde geredet, diskutiert, erzählt, man blätterte in Büchern, aß und trank. Und genau so war es auch geplant, beim „Marktplatz der Möglichkeiten“ anlässlich des „Aktionstages Mehrsprachigkeit“. Den hatte das „Netzwerk Mehrsprachigkeit“ geplant und organisiert, mit zahlreichen Veranstaltungen in Kindergärten und Schulen und mit eben diesem großen Zusammentreffen am Nachmittag im Arkadensaal (wir berichteten).
Dirk Jüttner, gemeinsam mit Martina Ducque federführend in der Main-Tauber-Stadt, begrüßte „alle Sprachbegeisterten“ – und das waren eine ganze Menge. Ihnen erzählte er von einem seiner Kindheitsträume, nämlich mit allen Menschen in ihrer Sprache reden zu können. „Aber die Wunschfee ist leider nicht vorbeigekommen.“ Zu 100 Prozent erfüllt werden kann der Wunsch wohl auch nicht vom „Netzwerk Mehrsprachigkeit“. Aber einen Teil dazu beitragen schon.
Die Vorsitzende des im Mai vergangenen Jahres gegründeten gleichnamigen Vereins, Patrizia Hahne-Wolter aus Köln, lobte in ihrem Grußwort erst einmal alle Verantwortlichen, die in der Tat Beachtliches auf die Beine gestellt hatten. Wertheim, sagte sie, sei in der Vergangenheit auch für revoltierende demokratische Buchdrucker interessant gewesen und habe heute einen Namen als Standort für vielfältige Industriebetriebe.
„Die Arbeitnehmer kommen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, und die Anbindung an den globalen Markt fordert alle Bürger und Unternehmer. Wie in einem Brennglas bündeln sich hier Bedürfnisse, Anspruch und Herausforderungen, denen sich auch andere Städte Deutschlands gegenübersehen.“ Fremdsprachenkenntnisse seien ebenso gefragt, wie allgemeine Deutschkenntnisse. „Aber das allein reicht nicht.“ Nötig sei auch eine Offenheit gegenüber kulturellen Hintergründen und babylonischer Sprachenvielfalt.
Für das Netzwerk sei es stimmig, den Aktionstag gerade in Wertheim zu begehen. Mit der Übernahme der Schirmherrschaft durch Oberbürgermeister Stefan Mikulicz „bezeugen Sie, dass sie den neuen Ideen der Mehrsprachigkeit unvoreingenommen gegenüberstehen“.
Die Rednerin stellte den Verein vor, dessen Vorsitzende sie ist, und sagte, der Respekt vor der Herkunftssprache und die Förderung der Verkehrssprache Deutsch bestimme dessen Diskurs. „Wir möchten den oft einseitigen und aufgeheizten Diskussionen um Integration und Migration eine zukunftsorientierte und sachlich geführte Debatte entgegensetzen.“
Oberbürgermeister Mikulicz stellte fest, es würden „viele Register gezogen, um Kindern Sprache und Mehrsprachigkeit zu vermitteln“. Dies fördere nicht nur die Intelligenz, sondern auch die eigene Identität und das Einfinden in die neue Heimat. In frühester Kindheit bereits würden die Pfade angelegt, die Jugendliche später befähigten, im Leben und im Beruf zu bestehen. „Als Kommune sind wir sehr stark bemüht, Sprache und Sprachkompetenz zu fördern“, versicherte der Oberbürgermeister. Dies geschehe auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und sei nicht zuletzt im Interesse der heimischen Wirtschaft. Jedes Kind müsse befähigt sein, später einmal eine Ausbildung erfolgreich zu absolvieren.
Mikulicz dankte insbesondere Martina Ducque, die dem Netzwerk beigetreten sei und die Bedeutung eines Aktionstages herausgestellt und verankert habe. „Das Thema wird in Wertheim sehr ernst genommen und bestimmt den Kurs der Kommunalpolitik mit“, so der OB abschließend.
Dann war es Zeit für „Geschenke“. Blumen gab es für Patrizia Hahne-Wolter und von ihr für Martina Ducque. Ihr überreichte die Vorsitzende des Vereins auch einen „Wanderpokal für besonders gelungene Projekte“. Dank der Unterstützung des Lions Club Wertheim konnten mehrere Bücherkisten zum Thema Mehrsprachigkeit angeschafft werden. Eine davon überreichten der amtierende Präsident Alois Sans und Sekretärin Susanne Eberhard an Nimet Seker, Öffentlichkeitsbeauftragte der türkisch-islamischen Gemeinde. Eine weitere Bücherkiste geht an die Stadtbücherei Wertheim, die an diesem Nachmittag durch Doris Neugebauer vertreten war. Und eine dritte wird eine „wandernde Bücherkiste“, die verschiedenen Einrichtungen zur Verfügung steht. Großzügige Unterstützung gewährte dem „Aktionstag Mehrsprachigkeit“ das Fürstenhaus zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg.
Zahlreiche Mitglieder der türkisch-islamischen Gemeinde sorgten für das leibliche Wohl der Besucher des „Marktplatz der Möglichkeiten“. ek
Fränkische Nachrichten
01. März 2010
Die Wertheimer Zeitung schrieb am 1 März 10 :
https://www.main-netz.de/nachrichten/region/wertheim/wertheim/art4003,1111616
Kinder entdecken fremde Sprachen
Mehrsprachigkeit: Aktionstag mit Lesungen in Grundschulen und Kindergärten – Literaturpräsentationen im Rathaus
Wertheim In Zeiten zunehmender Globalisierung wird es immer wichtiger, Kinder früh mit Fremdsprachen vertraut zu machen. Andererseits ist es für das Gelingen von Integration wichtig, dass Kinder mit Migrationshintergrund über gute Deutschkenntnisse verfügen. Zu beidem will das Netzwerk Mehrsprachigkeit beitragen, das am Freitag einen Aktionstag in Wertheim veranstaltet hat.
Dabei kamen mehrere hundert Kinder in Wertheimer Grundschulen und Kindergärten am Vormittag in den Genuss einer kostenlosen Veranstaltung. »Die Nachfrage war so groß, das wir pro Referentin zwei Termine anbieten mussten«, sagt Martina Ducque. Sie ist Erzieherin und Fachkraft für frühkindliche Sprachförderung und interkulturelle Kompetenz bei der Stadt Wertheim. Gemeinsam mit Dirk Jüttner von JP Design aus Wertheim organisierte sie die Veranstaltungen.
So las beispielsweise die Illustratorin Gül Kurtulus in den Kindergärten Waldenhausen und Reicholzheim in Deutsch und Englisch aus ihren Umweltbüchern zu den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde vor. Dafür hatte sie sich kostümiert und neben den Büchern auch großformatige Bilder mitgebracht, die die Hauptakteure ihrer Werke zeigten. Die Kinder lauschten ihren Ausführungen mit großer Aufmerksamkeit.
Eigene Geschichte ausgedacht
Keine Lesung im klassischen Sinne hatte sich Patricia Hahne-Wolter für die Kinder der Kindergärten Urphar und Grünenwört ausgedacht. »Meine Wörter reisen« lautete der Titel des Buches, anhand dessen Bilder sich die Kinder eine eigene Geschichte ausdachten. Wer von Hahne-Wolter einen Ball zugeworfen bekam, durfte die Geschichte weiter erzählen.
In allen Einrichtungen waren die Kinder eifrig bei der Sache. »Aus ruhigen werden aktive Kinder und das Bilderbuch regt zum Sprechen an«, kommentierte eine Erzieherin des Kindergartens Urphar. Ihre Kolleginnen aus Bettingen und Lindelbach sagten zu dem Buch »Wer spricht denn da«: »Die Kinder lernten in der kurzen Zeit vier Sprachen kennen und waren total begeistert.«
Der Nachmittag stand beim sogenannten Marktplatz der Möglichkeiten im Arkadensaal ganz im Zeichen von Mehrsprachigkeit und der Präsentation zahlreicher Bücher. »Hier wird eindrucksvoll gezeigt, wie alle Register gezogen werden können, um Kindern mehrsprachige Kompetenz zu vermitteln«, sagte Oberbürgermeister Stefan Mikulicz, der Schirmherr der Veranstaltung war. »Mehrsprachigkeit fördert den Intellekt der Kinder«, sagte der OB. Gemeinsam müssten neben dem Elternhaus vor allem Kindergärten und Schulen Anstrengungen unternehmen, um Sprachkompetenz zu fördern, meinte Mikulicz. Er versicherte, dass das Thema von der Stadt, Schulen und Kindergärten sehr ernst genommen werde.
Die Herausforderung eines globalen Marktes forderten Bürger und Unternehmen gleichermaßen, sagte die Vorsitzende des Netzwerkes Mehrsprachigkeit, Patrizia Hahne-Wolter. »Fremdsprachenkenntnisse sind deshalb so wichtig, wie Deutschkenntnisse«, erklärte sie. Nötig sei auch Offenheit gegenüber kulturellen Hintergründen. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei, Kindern die Freude am Lesen zu vermitteln. »Alles andere kommt von alleine.«
Patrizia Hahne-Wolter freute sich über eine Spende des Lions-Clubs und des Fürstenhauses für das Netzwerk. Dank der großherzigen finanziellen Unterstützung sei es möglich, der Stadtbücherei und dem türkisch-islamischen Verein drei Kisten mit mehrsprachigen Büchern zur Verfügung zu stellen. Zudem werde eine Bücherkiste bereit gestellt, die von Schulen und Kindergärten ausgeliehen werden können. Symbolisch nahm Nimet Seker von der türkisch-islamischen Gemeinde eine Bücherkiste entgegen.
Neben dem Kennenlernen mehrsprachiger Druck-Erzeugnisse für Kinder und dem Erfahrungsaustausch standen am Nachmittag auch verschiedene Seminare auf dem Programm. So erklärte Iris Wolf von der Agentur für Leseförderung Eulenwolf, wie man das richtige zweisprachige Buch findet. Corina Schuhkraft-Wadle von »Ibambiboo« präsentierte einige zweisprachige Bildwörterbücher.
Lesungen für Jungen und Mädchen
Dirk Jüttner stellte unterschiedlichste Wörterbücher und deren Einsatzmöglichkeiten im Grundschulunterricht und in Kindertagesstätten vor. Darüber hinaus fanden für die kleinen Besucher auch noch diverse Lesungen aus zweisprachigen Büchern statt.
Peter Riffenach
(Fotos/ quelle privat)